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Baltic Sea Heritage Rescue Project

 Erste Expeditionswoche an der Wlbing IX April 2019

Tauchgang an der Bosselman April 2019

Auch das Fernsehen wird auf das Thema aufmerksam. Bei 1:33 bin ich zu sehen, als ich an der Eelbing auf knapp 50 Metern Tiefe Netze geschnitten habe.

Nachdem ich die Drei Gruben im Sauerland, welche noch nicht gut kartografiert waren, nun auf Papier gebracht habe, wollte ich ein neues Projekt starten. Dieses Mal wollte ich mich in eine Projektgruppe mit einbringen und auch mal was vernünftiges machen.

Beim TecDive Network Event 2018 in Limburghof hörte ich den interessanten Vortrag von Sabine Kerkau zu den Geisternetzen in der Ostsee und welchen Schaden diese anrichten. Nach ein paar Gesprächen mit Sabine habe ich dann für den April 2019 meine erste Expeditionswoche gebucht.

Auf dieser Seite möchte ich meine Erfahrungen und Eindrücke zu diesem Projekt wieder geben



Hier einige Fakten zur 1. ExpeditionSWOCHE im April 2019 :

(Alles meine subjektiven Eindrücke und Meinungen)


Unterkunft & Kosten (Stand September 2021)

Eine Expeditionswoche geht i.d.R von Samstag bis Samstag

Ort: Kleipeda, Litauen

Übernachtung: auf dem Boot. 2x 2er und 1x 3er Kajüte

Frühstück und Luft inkl. Jeden Abend macht das Boot im Hafen fest.

Kosten Expeditionswoche: 1.300 EUR + 450-800 EUR für die Fähre Kiel - Kleipeda und zurück 

(Auto & 2er Kabine, wobei man dort allein drin ist.)

Verrückte können auch via Polen direkt nach Klaipeda fahren ;-)

Wer lieber alleine schlafen möchte: Hotel OldMill in Klaipeda. Sa-Sa rund 400 - 800 EUR… je nach Jahreszeit.

Das Hotel ist knapp 5 min zu Fuß vom Bootsanleger entfernt.


Gase

Die Elbing IX liegt auf max 48 Metern Tiefe. Es ist stock dunkel und rund 6°C kalt. Es empfielt sich ein leichtes bis mittleres Trimix. Für die BosselMan auf 51m unbedingt Trimix verwenden.

Ich habe immer 18/40 getaucht. Dazu 1 Decogas und o2. An der Shotline kann nichts angehängt werden.


Mindset

Das BSHRP ist kein Safariboottrip. Es ist eine Expedition, welche erfahrene und zum Lernen bereite Taucher erfordert. Jedes Wrack, jedes Netz und jede Tiefe stellt neue Herausforderungen an die Taucher.

Auch wenn die Expeditionen nicht gerade günstig sind… es kann immer vorkommen, dass wegen zu schlechtem Wetter nicht getaucht werden kann, Da sollte man dann nicht herum heulen… so ist Mutter Natur eben.


Anforderungen:

Erfahrener Tec Taucher (Trimix, mehrere Stages, komplexe Aufgaben lösen...)

Gute Kälteakteptanz oder gutes Heizsystem. Die Temperaturen sind zwischen 2 und 8 Grad.

Keine Probleme mit starker Dunkelheit oder Deco in trüben Gewässern. Deco an der Shotline

Tachuzeiten inkl. Deco an Elbing 50-70 Minuten (20-25min Grundzeit)

Max 2 Tauchgänge am Tag mit 2h Oberflächenpause

Teamfähigkeit und Bereitschaft, sich der Expeditionsleitung bzw. erfahrenen Tauchern unterzuordnen.

Es gibt keine Garantie, ein Netz zu schneiden oder einen Hebesack nach oben zu schießen.

Bei schlechtem Wetter wird nicht getaucht. Das Expeditionsboot, die NZ55, kann nur bis 80cm Welle raus fahren!


Der Tauchgang:

Auf dem Boot werden die Flossen und die Stages vom Oberflächensupport angelegt.

Es muss nur 1 Schritt von der Rödelbank zum Absprung gemacht werden.

Absprunghöhe vom Boot ca 1m – direkt neben der Shotline. An der Shotline ist über dem Wrack ein Blitzer angebracht.

Unten gibt es verschiedenste Arbeiten zu erledigen, welche bei der Tauchgangsplanung besprochen werden. Weiteres siehe Punkt Team & Arbeiten.


Ende Tauchgang

Aufgetaucht wird grundsätzlich an der Shotline (einfacher für Bootscrew).

Das Boot gibt ein Hupsignal, wenn der Taucher gesichtet wird. Dann asap OK geben. Die Shotline wird NICHT verlassen. Das Boot (ankert nicht) kommt zur Shotline (den Schwimmbojen) und es wird ein Seil mit Schwimmkörper zum Taucher / den Tauchern geworfen. Von Bord aus wird die Leine mit dem/den Taucher/n zum Heck gezogen, wo ein Fahrstuhl ins Wasser gelassen wird. In diesem wird der Taucher stehend an Bord geholt. Oben werden die Stages / Kameras, Werkzeuge... vom Serviceteam abgenommen und die Flossen ausgezogen. Mit drei Schritten sitzt man auf der Bank und kann seine Ausrüstung bequem ausziehen.

Die NZ55 / die Crew macht einen genialen Support. So etwas findet man auf keinem Safariboot!. Ein Beispiel an Sicherheit und Organisation!!!


Füllen

An Bord kann bis 200bar luft gefüllt werden und Sauerstoff aus 50l 200bar Flaschen übergeströmt werden. Helium muss langfristig vorher bestellt und gekauft werden! Es ist in Litauen wesentlich teurer als in Deutschland.

Tip: ausreichend Trimix Gemische mitnehmen und auftoppen.

Überströmschlauch, Analyzer und ggf. Fülladapter sollte jeder technische Taucher in seiner Kiste dabei haben.



Das Team unter Wasser

Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein eingespieltes Zweierteam +1 Supporttaucher die Idealbesetzung ist. 

Taucher 1 ist für das setzen der Hebesäcke und das Schneiden zuständig. Er stimmt im Vornherein mit der Expeditionsleitung ab, welches Netz wie geborgen wird (jedes Netz muss vorher gefilmt / fotografiert werdend und die Methodik der Bergung besprochen werden. Danach muss ebenfalls optisch dokumentiert werden).

Taucher 2 filmt (ideal ist eine Helmkamera) und unterstützt beim schneiden und Hebesack füllen. 

Taucher 3 leuchtet und reicht Hebesäcke und die Flasche zum füllen. Weiterhin passt er auf, dass niemand in einem Netz hängen bleibt oder wenn doch, hilft er den Taucher los zu schneiden. Die Aufgabe von Taucher 3 kann auch von Taucher 2 übernommen werden. Die Supportrolle des 3. Tauchers ist ideal für noch nicht ganz so erfahrene technische Taucher.


Arbeiten unter Wasser & Gefahren

Wurde das Netz nach ersten Erkundungstauchgängen für Bergungsfähig bewertet und vom Kapitän für zu bergen frei gegeben, wird ein oder mehrere Hebesäcke am Netz angebracht. Die Erfahrung hat gezeigt, dass teilweise ein ca. 1m langes Seil zwischen Hebesack und Karabiner hilfreich sein kann und beim Füllen mehr Sicherheit und Abstand ermöglicht.

Der/die Hebesack/e wird MINIMAL gefüllt, so dass er/sie gerade so aufrecht stehen. Dann werden dicke Taue durchtrennt. Danach die dünneren Netze... oder umgekehrt.

Kommt 1 Hebesack zum Einsatz, kann nach Freilegung des Netzes dieser gefüllt werden und nach oben geschossen. Das ist eine Aufgabe für NUR EINEN TAUCHER!!! Die anderen haben vor der Befüllung einen AUSREICHENDEN Sicherheitsabstand einzunehmen. Vor dem Befüllen muss genauestens kontrolliert werden, dass der füllende Taucher nicht mit dem Netz hochgeschossen wird.

Müssen mehrere Hebesäcke zum Einsatz kommen, muss das Netz via Seil am unteren Ende gegen das Wrack gesichert werden. Sind die Hebesäcke gefüllt, wird das Halteseil durchgeschnitten. Hierbei gilt, wie bei allen weiteren Aktionen: Es ist niemand über dem Netz!!! An diese Methode sollte man sich LANGSAM heran tasten!

Eine große Gefahr besteht auch, wenn ein Netz nicht zur Oberfläche gelangt und im Meer treibt. Dieses kann bei anderen Schiffen in die Schiffsschraube geraten und zu einem Unglück oder enormen Kosten führen. Daher ist ggf. zu überlegen, ob an ein Netz ein Reel angebracht wird, um permanenten Kontakt zu halten (ggf. vom Boot am Reel abtauchen und weitere Hebesäcke anbringen...)


Werkzeuge

Klassische Tauchermesser oder Scheren sollten auf dem Boot bleiben oder zum Gemüseputzen verwendet werden ;-)

Es gibt 3 wesentliche Herausforderungen an Netzen:

-Alte Netze (Grau/Braun) ohne Kunsstoff. Diese lassen sich mit einem Messer schneiden und die ggf. eingearbeiteten Stahltrossen mit einer Eisensäge zerteilen.

-Netze mit Kunststoff (meist Grün oder Blaue Fasern) lassen sich nur mit Aufwand uns sehr scharfen Messern schneiden. Viel Geduld dabei haben...

-Dicke Trossen mit Gewebe und Plastik inkl. Stahltrossen. Hier ist das perfekte Werkzeug noch nicht gefunden. Am besten zuerst mit Messer auftrennen und dann mit Eisensäge durchtrennen.

Als gutes Messer hat sich das Green River 16cm von Subsupply.eu erwiesen. Aber Vorsicht, es ist sehr scharf und zerschneidet auch gern einen Handschuh und mehr ;-)


Hierbei sei noch erwähnt: Bei diesen Bedingungen unter Wasser zu arbeiten wird in keinem Decomodell berücksichtigt. Es ist also garnicht so dumm, nach einem arbeitsreichen TG etwas Sauerstoff zu atmen.


Essen & Schlafen – Das Boot

Die NZ55 ist ein ex Schlepper, welcher vom Kapitän zu einem tollen Tauchboot umgebaut wurde. 

Es gibt 2 2er Kabinen und eine 3er. Diese sind sehr eng aber bequem. Bettzeug wird gestellt. Es gibt 2 kleine WCs inkl. sehr einfacher Duschmöglichkeit. Mann muss diese Bedingungen aber schon mögen ;-). 

Wer es gern luxuriöser haben möchte, kann im Hotel „Old Mill“ 5min zu Fuß vom Boot entfernt für ca 40-89€ die Nacht wohnen. Der Preis ist Saison anhängig. Im August sind die Preise der Fähre und er Hotels abartig. Das Boot legt jeden Abend im Hafen an – direkt vor den Autos der Taucher ;-)

An Bord gibt es gutes Frühstück und auch am Abend muss niemand verhungern. In der kleinen Küche kann sich jeder auch zwischendurch etwas Warmes machen. Die Kaffeemaschine läuft im Dauerbetrieb ;-).

Lebensmittel am besten im Einkaufscenter Akropolis kaufen. Das ist mit dem Auto 5min entfernt. Es gibt da alles und es kosten viel weniger als in Deutschland. Da bis 21 Uhr offen ist, ist jeden Tag ausreichend Zeit.

Wer am Abend essen gehen will... in die City braucht man zu Fuß 10min. Die Burgen im „Fat Cat“ sind ein Traum und kosten nur knapp 9 Euro! Aber auch alles andere ist super lecker.


Zu den Ausfahrten sei gesagt, bei zu hohen Wellen bleibt das Boot im Hafen. Das ist i.d.R. bei 60-70cm Welle so.

Die NZ55 ist eben nur ein Schlepper und fängt bei kleinen Wellen eben an zu schaukeln.

Nicht zu vergessen ist auch, dass bereits bei kleinen Wellen in Verbindung mit einem ungünstigen Wind beim Einstieg in den Taucherlift dieser vor einem locker 2-3 Meter hoch und runter tanzt. Es ist eben nicht wie in Ägypten… die Safariboote sind da einfach größer und Seefester.


Wenn die NZ55 im Hafen bleibt, wird es aber trotzdem nicht langweilig. Der Kapitän zeigt gerne seine Heimat... und Litauen ist wirklich schön.


Fazit

Die Tauchgänge sind nichts für Anfänger oder Taucher, welche von sich monströse Fotos im Kampf mit den Geisternetzen haben wollen. Netzbergung ist ein sehr gefährlicher Job – aber er muss gemacht werden! Teamplay und gute Laune sind oberstes Gebot – nach der Sicherheit.

Der Lohn dafür sind Tauchgänge an einmaligen Wracks, wo sonst Tauchverbot besteht. Ihr lernt, wie tauchen, Unterwasserarbeiten, die Zusammenarbeit mit einer Universität und jede Menge Historie zusammenfließen. Dazu wird ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz geleistet.


Anstandsregel (das muss ich los werden…)

Liebe Taucher, wir sind auf dem Boot und in Litauen Gäste. Sabine Kerkau hat es mit gigantischem Aufwand geschafft, dass wir an diesen exklusiven Wracks tauchen dürfen. Auch ihr aufgebautes Netzwerk zur Universität, zu den Behörden und nicht zuletzt, dass wir auf der tollen NZ55 tauchen dürfen, ist ein absolutes Privileg! Also bitte immer mit Respekt und Dankbarkeit unterwegs sein. Die tolle Gastfreundschaft der Litauer hat das verdient!


Soweit meine Erfahrungen nach der ersten Expeditionswoche. Hoffentlich vergeht die Zeit bis September schnell... dann bin ich wieder auf der NZ55 ;-)


Nachtrag Juni 2020

Nach Absage der geplanten Expeditionswoche wegen zu schlechtem Wetter ging es im Juni 2020 zu meiner zweiten Projektwoche in Litauen. Dieses Mal stand die Bosselmann auf dem Programm. Ein wirklich tollen und fast unberührtes Wrack, welches wie üblich voller Fischereinetze ist. An vier Tagen konnten wir am Wrack tauchen und arbeiten. 2 tage war das Wetter einfach zu schlecht.

Ansonsten war alles wir zu vor zur 1. Projektwochen 2019 schon beschrieben. Die Entscheidung, dieses Mal nicht auf dem Boot, sondern im Old Mill zu schlafen, hat sich als seehehr erholsam und richtig heraus gestellt.


Gedanken zur Ökologie

BSHRP & BSNHPA e.V. sind (ein) Umweltorientierter Verein dessen Ziel es ist, Geisternetze aus der Ostsee zu holen und somit einen Beitrag zu einer sauberen Ostsee zu leisten. Ein Problem, was aber viele aktive Umweltvereine haben ist der eigene, meist sehr schmutzige CO2 Fußabdruck. Wenn 5-7 Taucher aus Deutschland, der Schweiz oder Österreich mit ihren Autos nach Kiel fahren, die Fähre benutzen und natürlich auch wieder zurück reisen wird so viel CO2 produziert, Ich haben das mal ganz grob gerechnet und bin für eine Expeditionswoche auf ca. 4 Tonnen CO2 gekommen. dass damit die Gesamt Ökobilanz einer Tauchwoche sich mit den doch relativ geringen Netzmengen , welche geborgen werden, nicht in Einklang bringen lässt, wird damit schnell offensichtlich. Wird hierbei noch betrachtet, dass einige Projektwochen ausschließlich der Suche oder Identifikation von Wracks gewidmet sind, so ist das Ganze eben doch nicht wirklich gut für die Umwelt. Oder anders herum gefragt; wie viel CO2 Ausstoß ist pro KG geborgenes Netz ok?
Das BSNHRP ist sicherlich eine fantastische Option, tolle und anspruchsvolle Tauchgänge an recht unberührten Wracks in der litauischen Ostsee zu unternehmen. Aber mit echtem und nachhaltigem Umweltschutz hat das nicht wirklich viel zu tun.

Auch die TecTauch Szene muss irgendwann beginnen, über ihren sehr schmutzigen Fußabdruck in unserer Umwelt nachzudenken.